Und es klappt doch...
Aber wieso eigentlich auch nicht? Ich habe es heute gewagt, Geld und Zeit rauszhauen für ein lange geplantes Experiment - die Entwicklung von ORWOcolor/ORWOchrom-Filmen mit C41-Chemie. Um es kurz zu machen - natürlich erhalten wir bunte Negative. Leider sind meine ORWO-Filmbestände erstens begrenzt und zweitens uralt. Schade, dass es keine frischen ORWOs mehr gibt, sonst könnte man die Kompatibilität zu C-41-Chemie an frischem Material näher untersuchen.
Was habe ich gemacht? Zunächst habe ich auf alle Regeln des Farbentwickelns gepfiffen und an eigentlich allen Stellschrauben der Farbentwicklung gedreht. Ich habe nur so eine ganz normale Jobo-Schwarzweiß-Entwicklungsdose ohne Motor, Lift und doppelten Boden, natürlich auch ohne Heizung. Genausowenig habe ich ein genaues Thermometer. Das einzige, was ich habe, ist ein Elektro-Durchlauferhitzer mit digitaler Wassertemperaturanzeigen einstellbar auf 0,5 Kelvin genau. Die Quintessenz dieses Freds war ja, dass ich den armen ORWOs keine 38°C zumuten solle. Ich bin ja nicht so. Also habe ich mich mit ihnen auf 24 Grad geeinigt, das sollten sie noch aushalten.
Entwickelt habe ich mit Tetenal Colortec C41-Tabs. Eine CD-Tablette ergibt 150 ml Entwicklerlösung - viel zu wenig für meine Dose. Zwei Tabs zu nehmen wäre immer noch zuwenig gewesen (ein KB-Film verlangt ca. 390ml), und ich will das Zeug ja auch nicht verschwenden. Ich habe herausgefunden, dass die Filmspirale in der Dose, wenn sie um 60° aus der Vertikalen kippt wird, bei 200ml Füllmenge gerade so benetzt ist. Also habe ich die 150ml CD und Blix erstmal auf 200 gestreckt. Mit ihnen auch die Entwicklungszeit auf 133%. Dann war in dem Kit zum Glück angegeben, dass man bei 38°C 3:15 min entwickeln solle, bei 45°C 2:00 min ("Express"). 7 Kelvin macht also 1:15 min aus. Die 14 K von 38°C nach 24° verlängern meine Entwicklungszeit (erstmal nahm ich das linear an) also um 2:30 auf 5:45. Multipliziert mit 1,33 kam ich auf 7:40 min.
Um zu wissen, wie ein moderner Film reagiert, habe ich einen Nonamefilm vom Drogeriemarkt belichtet und 10 Bilder davon eingespult. Die nächsten 10 Bilder waren auf einem ORWOchrom UT 18, der Rest auf einem ORWOcolor NC 21.
Also alles rein in die Suppe und in der schrö gestellten Dose 7:40 min entwickelt, den Spiralkern dabei über die Aufsteckwelle von Hand die ganze Zeit hin- und hergedreht. Das Ergebnis war im Rahmen der Möglichkeiten überwältigend.
1. Alle drei Filmschnipsel wurden gleichmäßig (ohne Schlieren usw.) entwickelt.
2. Der moderne C41-Film kam raus wie vom "richtigen" Labor. Dichte und Farben, soweit ich das beurteilen kann, völlig in Ordnung.
3. Der UT 18 kam anständig - ein gecrosster Diafilm eben. Der Träger grasgrün, Farbinformation eindeutig vorhanden, das Korn für diese Empfindlichkeitsklasse gigantisch. Der Film lässt sich in C41 entwickeln, und die Ergebnisse kann man angucken, wenn man ordentlich gegenfiltert (was bei gecrossten Filmen aber ohnehin nötig ist)
4. Der NC 21 hat das Rennen klar verloren. Insgesamt zwar soweit in Ordnung, als die Farbentwicklung funktioniert hat, aber die Dichte lässt völlig zu wünschen übrig. Außerdem unglaublich grobkörnig, es hat sich zudem ein seltsames, wolkenartiges Muster auf dem Negativ abgezeichnet, das wohl schon vom falschen Prozess kommt (ein Stüchchen desselben Films habe ich vor zwei Monaten im ORWO-Entwickler recht erfolgreich entwickelt). Was mich wundert: Die einbelichteten Negativnummern und der ORWO-Schriftzug am Rand kommen gut, im Gegensatz zu den eigentlichen Bildern. Sieht nach Unterbelichtung aus, ich habe nominal belichtet. Schade.
Ich fasse zusammen:
1. Die verschiedenen CD-Substanzen unterscheiden sich in der Wirkung nicht prinzipiell, eher offenbar in Nuancen. Filme des alten AGFA-Prozesses sind mit C-41 entwickelbar, zumindest wenn man die Temperatur anpasst.
2. Die für überraschendste Lehre aus der Sache: Die immer wieder beschworene Notwendigkeit der peinlich genauen Einhaltung der C41-Prozesstemperatur ist - wie man sieht - völliger Humbuk. Bei dieser Forderung scheint es sich eher um eine Toleranz in der Normung, nicht aber um eine technische Notwendigkeit zu handeln. Das heißt, dass ich die Ergebnisse eben nicht wegschmeißen muss, wenn ich um 0,5 Kelvin abweiche. Ich weiche hier um sagenhafte 14 Kelvin ab, ohne sichtbare Einbußen, und das noch bei einer nicht standardmäßig verdünnten Lösung und selbst ausgedachten Entwicklungszeit. Das System ist offenbar viel toleranter, als es immer tut.
Hier drei Ergebnisse stellvertretend für den jeweiligen Film - jeweils das ganze Bild und dann ein Ausschnitt 1:1:
dm Paradies 100:
![[Image: 1862118853_62f4fd86b3_o.jpg]](http://farm3.static.flickr.com/2172/1862118853_62f4fd86b3_o.jpg)
???
ORWO UT 18:
![[Image: 1862947672_0b4321de3d_o.jpg]](http://farm3.static.flickr.com/2169/1862947672_0b4321de3d_o.jpg)
???
ORWO NC 21:
![[Image: 1862945440_4e790a3325_o.jpg]](http://farm3.static.flickr.com/2020/1862945440_4e790a3325_o.jpg)
???
Viel Spaß beim Entwickeln der letzten ORWO-Vorräte wünscht Euch dann der
Peter.