Auflösung und Schafe

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Liebes Forum,

Ich habe eine Reihe grundsätzliche Fragen, um etwas gegen meine weit reichende Unwissenheit in Sachen Optik zu tun.

Wie verhält es sich eigentlich genau mit dem Verhältnis von Auflösung und Schärfe, und welchen Einfluss hat die Wahl von Film und Objektiv daraus?

Inwiefern ist Schärfe von Auflösung abhängig, und von welchen anderen Faktoren hängt er ab?

Ist die Auflösung eines Objektivs nur von der Qualität der Abfertigung abhängig, oder kann man generell sagen, dass große Blendenöffnung = hohe Auflösung? In welchem Maße ist die Auflösung von der Blende abhängig?

Und dann die praktische Frage: Welche Auflösung kann man von Mittelformat- und Vergrößerobjektiven so ungefähr erwarten? Und welchen Einfluss sollte das auf die Wahl vom Film haben?

Samuli
"No photograph ever was good, yet, of anybody - hunger and thirst and utter wretchedness overtake the outlaw who invented it! It transforms into desperadoes the meekest of men; depicts sinless innocence upon the pictured faces of ruffians; gives the wise man the stupid leer of a fool, and a fool an expression of more than earthly wisdom." (Mark Twain)



http://www.samuli-schielke.de/foto.htm
Hallo Samuli,

das Drama beginnt weit früher. Definiere "Auflösung" und gib den Kontrast zu Deiner Definition an. Und die Blende.

Linienpaarauflösungen bei einem Kontrast von 1:1000 haben wenig mit bildmäßiger Photographie zu tun und ergeben bestenfalls akademische Aussagen.

Im Realfall wirst Du mit einem guten MF-Objektiv so in der Region 30-90 Linienpaare/mm landen, wobei 90 schon *erst* gut ist.

Einige Filme können mehr, aber auch da kommt es auf die Definition von "Auflösung" an. Ein kantenschärfster Film wird bei 1:1000 nie optimale Ergebnisse bringen, weil die Korngrößenverteilung zuschlägt. Deshalb werden "Auflösungsrekorde" mit Mikrofilmen erstellt.

Und dann kommt noch die Vergrößerung hinzu. Anständige V-Objektive stellen wohl so ziemlich das beste in der ganzen Kette zum Bild dar (nonchalante Rechnung: plan gegen plan; zum Erbrechen perfektionierbar). Aber alles an "Auflösung" hinsichtlich Aufnahmeoptik, Film, Blende wird im Moment der Vergrößerung dann formatabhängig. Mag sein, dass KB-Objektive mehr Linienpaare auflösen (ist auch so). Dafür muss man aber den Abzug wieder stärker vergrößern, womit der primäre "Vorteil" höherer Auflösung wieder hingemacht wird. "Linienpaare pro Millimeter" gelten ja auf dem Negativ.

Da bleibt dann von den 135 Linien eines guten KB-Objektives nichts mehr übrig, wenn es bei gleich großem Print gegen eine 40-Linien-Scherbe einer 6x9 anstinken muss und Grauwerte auch noch eine Rolle spielen. Eben der Unterschied zwischen Theorie und Praxis.

Ein moderner Mikrofilm kann Optiken die Grenze aufzeigen (sehr schön die aktuelle Zeiss-Veröffentlichung zu deren Linsen und einem Spur-Prozess, ein schnöder Allerwelts-KB-Film wie ein FP4 oder HP5 aber nicht.

Wie war das nochmal mit den Freiheitsgraden und den Variablen hinsichtlich Berechenbarkeit? ...

Beste Grüße,

Franz
Hallo Samuli,

und wenn man mal selbst erprobt, gesehen und verstanden hat, dass z.B. bei den 100er-Filmen schon bei Vergrößerungsmaßen über 4-fach linear Tonwertverluste einsetzen, das Bild also weniger Tonwerte zeigt als das Auge auflösen könnte, sind Schärfe und Auflösung eines Films/einer Optik bei heutzutage verfügbarer Leistung nur noch untergeordnete Parameter, einige Billigzooms ausgenommen. Der wirksamste Beitrag zu einem wirklich scharfen Bild ist eh ein bombenfestes Stativ. Bei einer schweren 6x9 (Mamiya Universal) kann ich selbst bei 1/60sec am Negativ erkennen, ob ein Stativ "im Spiel" war oder nicht. Dabei gehöre ich (noch) nicht zu den Zittrigen! Und Kameras, bei denen ausgerechnet kurz vor der Belichtung die halbe Kameramasse stark beschleunigt und wieder abgebremst wird, ja was soll man dazu noch sagen..

Gruß Wolfgang
[quote name='Wolfgg' date='Mar 23 2006, 03:15 PM']Und Kameras, bei denen ausgerechnet kurz vor der Belichtung die halbe Kameramasse stark beschleunigt und wieder abgebremst wird, ja was soll man dazu noch sagen..

[right][post="7253"]<{POST_SNAPBACK}>[/post][/right][/quote]

Ja, ist ja hier nicht Thema, aber wieso fast alle mittel-sehrguten Digitalkameras als Spiegelreflex ausgeführt sind, werde ich nie begreifen. Vielleicht um eine Anwendung für teure Stabilisierungstechniken zu haben?

OK, weitermachen,

Grüße

Stefan..
Es gibt drei Sorten von Schäfe:

- Bewegungsschäfe, z.B. bei Personen oder im Wind bewegten Blättern -> kurze Belichtungszeit

- Tiefenschärfe: Nahe und ferne Gegenstände sind gleichermaßen scharf -> kleine Blende

- Filmauflösung bzw. Chiprauschen: unempfindliche Filme sind schärfer, große Formate sind schärfer.

Das widerspricht sich bei einer gegebenen Lichtsituation. Entweder ich belichte kurz, und muss eine offene Blende oder einen empfindlichen Film nehmen. Oder ich stelle die Kamera aufs Stativ, nehme eine kleine Blende und belichte lange. Dann darf sich aber nichts bewegen. Oder ich nehme einen empfindlichen Film und gewinne dadurch etwas, ist dann halt König.

Kleine Abmilderung: Empfindlichen Film und größeres Format. Verursacht aber Rückenprobleme <img src='http://forum.fotoimpex.de/public/style_emoticons/<#EMO_DIR#>/cool.gif' class='bbc_emoticon' alt=':rolleyes:' />
Bleibt dran, am Sucher.



--Uwe
Hallo Uwe,

noch etwas: "Kantenschärfe". Geht auf die Auflösung, sorgt aber für einen hohen Schärfeeindruck. Und ist in hohem Maße subjektiv.

Und bei "Tiefenschärfe" kommt natürlich irgendwann die "Beugungsunschärfe" des Objektivs ins Spiel, bei "Filmauflösung" kann trotz größerem Formats die "Objektivauflösung" entgegenwirken.

Nur, damit das Fazit erschöpfende Diskussionen jetzt wenigstens auch *ganz* offen ist:-)

Immerhin suchen wir auf einer n-dimensionalen Fläche das absolute Maximum. Dieses Problem ist fast lösbar, wenn n exakt bekannt und kleiner unendlich ist:-)

Beste Grüße,

Franz
Erstmal vielen Dank für die Antworten.

Tiefen- und Bewegungsschärfe sind mir bekannt, bei Sachen wie Kantenschärfe vs. Auflösung wird es bei mir holperiger. Verstehe ich, dass Kantenschärfe bedeutet, dass durch scharfen Korn (hohen Detailkontrast) die visuell wahrnehmbare Schärfe auf Kosten der objektiv messbaren Auflösung zunimmt?

Und was genau ist die "Beugungsschärfe"?

Und kann mir jemand erklären, wie die Blendenöffnung auf die Auflösung (also nicht auf die Tiefenschärfe, der Punkt ist mir klar) aufwirkt? Man kann den Effekt ja gut mit dem Vergrößerer betrachten: Stellt man den Vergrößerer auf maximale Vergrößerung und schaut sich das Bild mit Kornscharfsteller an, sieht man, dass bei Blende 16 oder 22 die Auslösung sich sichtbar verschlechtert. Aber um welche Verhältnisse geht es, und spielt das bei Mittelformat eine Rolle oder kann man es vernachlässigen?

Bei mir geht es letztendlich um eine praktische Frage: Abstimmung von Film und Vergrößererobjektiv auf die Aufnahmeobjektive. Bei Mittelformat arbeite ich mit einem 80 mm Meopta aus den 40er Jahren und neueren ukrainischen 120mm Vega- und 65mm Mir-Gläsern, die allesamt keine Auflösungswunder sind, dafür schöne Tonalität haben. Das Meopta-Glas hat eine leichte Vignettierung und Unschärfe am Rand, was bei anderen Anwendungen vielleicht als Manko gelten würde, bei Portraits aber sehr schön rüberkommt. Da brauche ich wohl, nach dem was ich in diesem Thread gelesen habe, mir keine Gedanken über Film und Vergrößerer zu machen - das Auflösungsvermögen von ADOX & Fomapan und 75 mm Componar C ist wohl um einiges besser als das meiner Aufnahmeobjektive. Problematisch wird es beim Kleinbild, denn mein Canon FD 50/1.4 lässt echt viel auf, so viel, dass ich jetzt probeweise eine Rolle vom neuen ADOX CMS bestellt habe. Erst nachher ist mir eingefallen, dass die Auflösung vielleicht nichts bringt, wenn mein Vergrößerungsobjektiv nicht mitmacht - und daraufhin habe ich diesen Thread begonnen.

> und wenn man mal selbst erprobt, gesehen und verstanden hat, dass z.B. bei den 100er-Filmen schon bei

> Vergrößerungsmaßen über 4-fach linear Tonwertverluste einsetzen, das Bild also weniger Tonwerte zeigt als das

> Auge auflösen könnte, sind Schärfe und Auflösung eines Films/einer Optik bei heutzutage verfügbarer Leistung nur noch > untergeordnete Parameter, einige Billigzooms ausgenommen.

Das ist mir aufgefallen, da ich oft Schwierigkeiten habe, die schönen Tonwerte der Kontakabzüge in Vergrößerungen wiederzufinden. Woran liegt das? Kann man irgendetwas dagegen machen (von Großformat mal abgesehen)?

> Ja, ist ja hier nicht Thema, aber wieso fast alle mittel-sehr guten Digitalkameras als Spiegelreflex ausgeführt sind, werde

> ich nie begreifen. Vielleicht um eine Anwendung für teure Stabilisierungstechniken zu haben?

Wäre da nicht eine Marktlücke für Digitalkameras im Rolleiflex-Format?

Alles Gute,

Samuli
"No photograph ever was good, yet, of anybody - hunger and thirst and utter wretchedness overtake the outlaw who invented it! It transforms into desperadoes the meekest of men; depicts sinless innocence upon the pictured faces of ruffians; gives the wise man the stupid leer of a fool, and a fool an expression of more than earthly wisdom." (Mark Twain)



http://www.samuli-schielke.de/foto.htm
Hallo,

irgendwie habe ich nicht wirklich Lust etwas zu schreiben, da gibt es wirklich gute Bücher, aber man muss auch noch Lichthofbildung (ja mein Lieblingsthema) mit ins Spiel nehmen.

Da gibt es wieder zwei Typen,

I) Lichtdiffusion

II) Lichtreflektion

I) Bedeutet, dass das Licht innerhalb der Schicht umherirrt, das tritt v.a. bei Überbelichtung und alten Dickschichtemulsionen auf.

Ergebnis ist eine generelle Herabsetzung der Schärfe.

II) Das Licht wird hinten an der Andruckplatte, oder am Trägermaterial reflektiert. Das tritt bei mangelndem Lichthofschutz insbesondere an Stellen hoher Lichtkontraste auf und führt zu Lichtsäumen, bzw. dass z.B. eine helle strukturierte Fläche wie eine Hauswand oder blondes Haar jede Kontur verliert.

Roland
Hallo Samuli,

das mit dem Tonwertverlust durch Vergrößern stellt man sich am besten so vor:

das kleinste Bildelement, das ein Auge bei normalem Betrachtungsabstand auflösen kann, ist ein Quadrat mit 0,1mm Kantenlänge (bei Druckern heißt's z.B. 300 DPI). Ein solches Quadrat mit 0,1mm Kantenlänge auf dem Film besitzt nur eine begrenzte Zahl von Bromsilberkristallen, nach der Entwicklung Silberkristallen. Die Zahl dieser Kristalle im Quadrat mit 0,1mm Kantenlänge bestimmt, wie viele Tonwerte der Film für das Auge speichern kann. Sind es z.B. 10000 Kristalle, so sind 10000 Tonwerte möglich. Wird dieser Film jetzt 10-fach vergrößert, so verteilen sich diese 10000 Kristalle nun auf ein Quadrat mit 1mm Kantenlänge, sodass auf ein Quadrat mit 0,1mm Kantenlänge (kleinstes Bildelement für das Auge) nur noch 10000/(10*10)=100 Kristalle entfallen. Und das wären dann eben nur 100 sichtbare Tonwerte, ein solches Bild sieht höchstens noch "bescheiden" aus, weil das Auge etwa 500 Tonwerte unterscheiden kann. Daher ergibt sich für jeden Film ein maximaler Vergrößerungsmaßstab, über dem Tonwertverluste einsetzen. Rekordhalter war der Technical Pan mit Vmax=8 linear, der ist aber leider in einem Tresor in Rochester verschwunden. Vermutlich für alle Zeit. Sehr schade.

Hier noch 2 Links zum Thema optimale Blende und Beugung (engl. Diffraction):

[url="http://www.kenrockwell.com/tech/focus.htm"]http://www.kenrockwell.com/tech/focus.htm[/url]

[url="http://www.largeformatphotography.info/fstop.html"]http://www.largeformatphotography.info/fstop.html[/url]

Gruß Wolfgang
danke Wolfgang,

eigentlich gar nicht thread-thema, aber das war die Antwort auf meine lang gehegte aber dann doch irgendwie nie öffentlich gestellte Frage nach dem Hintergrund von "Vergrößerungsfaktor rauf -> Tonwerte werden 'schlechter' (was auch immer das heiße)"!

wenn man nun von diesen 500 unterscheidbaren Tonwerten ausgeht, kann man dann dementsprechend sagen, dass der maximal mögliche Vergrößerungsfaktor ohne merklichen Tonwertverlust in unserem 10000-Korn-Beispielfilm

10000/(x^2)=500, also rund 4,5 ist? ...wie ich mir als totale Mathe-Niete soeben zusammengerechnet habe...

Gruß

Nils.

PS: diese ominöse RMS granularity, hat die was damit zu tun? Geht's da nicht auch um die Anzahl der Künstler auf einer gegebenen Fläche? Zumindest sagt die Abkürzung ja schon, dass da fleißig quadriert bzw. gewurzelt wird, da liegt der Verdacht nahe...
(This post was last modified: 28-03-2006, 12:59 PM by AntiLynd.)



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