Entwicklung Roentgen Film

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Hallo liebes Forum,


ich schreibe momentan meinen Master in der Mikrobiologie. Dort weisen wir Proteine teilweise noch über analoge Roentgen-Fotofilme nach. Da ich seit einem halben Jahr mit Analogkameras und seit kurzem auch mit Mittelformatkameras aus den Vorkriegszeiten experimentiere, frage ich mich was ich in unserer Dunkelkammer alles entwickeln könnte. 


Das Dunkellabor an und für sich ist sehr schlicht gehalten:


Wir benutzen den Roentgen Film "LucentBlue x-ray film" von advansta (DinA4 format :spudnikheadstand: ), diesen Entwickler und Fixierer von Tetenal. Das schöne an dem Prozess ist, dass man den Film unter Rotlicht entwickeln kann, und man somit bewusst Einfluss auf das Signal nehmen kann. Abzüge werden keine angefertigt, da die riesigen negative einfach direkt eingescannt und digitalisiert werden.

 


Jetzt zu meinen Unwissenheiten:

1. Kann man alle schwarzweiß Filme unter Rotlicht entwickeln (wohl kaum oder?)

2. Welche Filme kann man überhaupt mit der oben genannten Entwickler/Fixierer Kombi entwickeln? Wie findet man so etwas heraus?

3. Kann man auch Foto-Abzugspapier mit dem gleichen Prozess entwickeln wie den Film?


Das wäre es erst einmal. Keine Ahnung ob das triviale Fragen sind oder nicht. Vielen Dank fürs überlegen und teilhaben


David


PS: Falls die Links nicht funktionieren:

Film: https://advansta.com/products/x-ray-film-western-blot/

Developer: https://shop.tetenal.de/de/agr/104112/ro...u-konz-1-l

Fixing: https://shop.tetenal.de/de/agr/104122/ro...u-konz-1-l

 

PPS: beigefügtes Bild wurde mit dem genannten Prozess entwickelt. Canon A-1 50mm f1.2 und eingescannt über Nikon Kleinbildformatscanner.

 

Hi David,

 

willkommen im Forum!

 

zu Deinen Fragen:

 

1. "normale" SW Filme müssen bei völliger Dunkelheit entwickelt werden. Diese Filme sind panchromatisch sensibilisiert. Das bedeutet, daß sie für alle für das menschliche Auge sichtbare Licht empfindlich sind- also auch für Rot.

 

2. Der Röntgen-Entwickler ist ein spezieller Entwickler. Er ist genau auf die Filme abgestimmt. Das ist für medizinische Verwendung wichtig.

Grundsätzlich ist der chemische Prozess (Reduktion von Silberhalogenid zu elementarem Silber) bei jeder Entwicklung mit jedem Entwickler gleich.

Du kannst also jedes Fotopapier und jeden Film grundsätzlich in jedem Entwickler entwickeln.

Praktisch wird man diese Ergebnisse aber nicht gebrauchen klönnen.

 

Fotopapiere werden "ausentwickelt". Man entwickelt so lange, bis alles belichtetes Silberhaloghenid vollständig zu elementarem Silber umgesetzt ist.

Filme werden nur so weit entwickelt, bis die Negative einen vorgegebenen Kontrast erreichen. Dieser Vorgang wird im Wesentlichen über die Entwicklungszeit gesteuert.

Der Entwicklungsprozess wird also an einem Punkt abgebrochen.

Beide Methoden erfordern unterschiedlich rasch arbeitende Entwickler. Das Fixierbad ist grundsätzlich für alle Prozesse gleich (die Konzentration kann sich etwas unterscheiden).

 

3.Für Fotopapier würde ein Film-Entwickler zu langsam arbeiten.

In Deinem speziellen Fall kannst Du den Röntgenfilm sichelich auch mit einem Papier-Entwickler entwickeln.

Ob und wie das geht mußt Du ausprobieren.

 

Melde Dich wenn etwas unverständlich ist.

 

HG

Klaus

Lieber Klaus,


erst einmal vielen Dank für deine Antworten. Freut mich wirklich dass ich etwas über dieses Thema lernen kann! :)


Über panchromatische und orthochromatische Filme habe ich tatsächlich just heute eine alte Dokumentation in den tiefen der Laborschränke gefunden.

 

Zu 2.:

Das heißt also, ich könnte wirklich jeden Schwarzweiß Film mit diesen Reagenzen entwickeln und fixieren? (allerdings im Dunkeln da meistens panchromatisch, und die Zeiten müsste ich auch vollkommen abschätzen) Und dies würde keine der Reagenzen verunreinigen oder gar ruinieren? Was genau meinst du mit "Ergebnisse, die nicht gebrauchbar sind". Wäre zu erwarten dass der Roentgen Entwickler Artefakte auf dem Film hinterlässt, oder bezieht sich das darauf, dass man die einzuhaltenden Entwicklungszeiten nicht einschätzen kann?

 

Also theoretisch könnte ich dann den einzigen erhältlichen (meines Wissens der noch produziert wird) orthochromatischen Kleinformat Film Rollei Ortho 25 plus unter Rotlicht entwickeln und stoppen, ohne dabei die Belichtung zu beeinträchtigen? Spiele mit dem Gedanken etwas anderes als den Roentgen Film dort zu entwickeln.


Die Erfahrung einen Abzug zu Belichten und zu entwickeln wird mir wohl in unserem Labor nicht möglich sein. Wir haben zwar einen alten Belichter von Leitz, nur weiß keiner ob der überhaupt noch funktioniert und wenn ja wie. (Besitzer war alte Professur, jetzt neue Professur, kein Wissenstransfer, da digitale Lösung).

 

So, Fragen über Fragen. Aber erneut: Vielen Dank. 


Schönes Wochenende

David

Hi David,

 

ich freue mich über Dein Interesse.

Bevor ich Dir inhaltlich antworte würde ich ganz gerne wissen, was Du eigentlich genau vor hast.

 

Möchtest Du nur irgendwie experimentieren oder willst Du Negative erzeugen, die Du später zu positiven Bildern weiter verarbeiten möchtest?

Warum willst Du einen orthochomatischen Spezialfilm einsetzen? Der ist nicht unbedingt eine gute Empfehlung für problemlose Bildergebnisse.

 

Welche Kamera hast Du zur Verfügung?

Ist eventuell eine Entwicklungsdose zur Entwicklung von Filmen vorhanden?

 

Wenn ein Vergrößerungsgerät vorhanden ist, so ist wahrscheinlich auch die übrige Infrastruktur für eine analoge Dunkelkammer vorhanden.

Wo wohnst Du?

Am nächsten Wochenende habe ich hier einen Dunkelkammerkurs.

Da sind Gäste zum Hospitieren immer willkommen.

 

Wenn ich Deine Ziele kenne, werde ich Dir konkreter weiterhelfen können.

 

HG

Klaus

Mein(e) Ziel(e): Ich wollte schon negative erzeugen, die ich später in positive umwandle. Ein Freund von mir hat einen Leuchttisch und Nikon Kleinbildformatscanner, womit wir das bisher bewerkstelligt haben.

Andererseits möchte ich alte Kameras ausprobieren und eben mal versuchen andere orthochromatische Filme zu entwickeln. Mich reizt an den orthochromatischen Filmen, dass ich unter Rotlicht sehen kann wie das Silber kristallisiert, und ich somit direkten und bewussten Einfluss auf die Stärke der Entwicklung nehmen kann. Dies geht bei den panchromatischen Filmen ja nur indirekt über das einhalten von Zeiten, das Ergebnis sieht man immer am Ende und ist in Stein gemeißelt. 

In den Schubladen der Dunkelkammer liegen noch Kodalith ortho filme (6556, type 3 ASA 25, 35 mm), die ich gerne ausprobieren und entwickeln würde (falls es denn geht, mit genannten Reagenzen).

 

Momentane Kameras die mir und meinem Kumpel zur Verfügung stehen:


Canon A-1 (primär gekauft für Doppelbelichtungen), Canon AE-1, Voigtländer Brillant, Ica Dresden und diverse analoge Olympus Kameras (Lochkamera wollen wir auch noch bauen)

 

Entwicklerdose und dazugehöriges Equipment besitzt mein Kumpel, allerdings nicht von großen Reiz für mich, wie oben beschrieben. Die Dunkelkammer ist sehr verkommen, man könnte sie mehr als Abstellraum ohne Fenster bezeichnen; zudem sehr klein. Wie zuvor beschrieben hat keiner mehr das nötige Wissen oder Willen um dort wirklich Abzüge zu produzieren, oder überhaupt zu testen, ob die Geräte noch funktionieren. (Allerdings gibt es am Hauptcampus der Universität ein großes Fotolabor mit wirklich allem Equipment überhaupt: mehrere Vergrößerer, Trockenschrank, riesige Entwicklerwannen. War leider nie dort, nur mein besagter Freund. Das Labor wird nicht mehr genutzt und war nur auf dessen Anfrage bei einem gewissen Professor Frankenstein einsehbar, leider. Kaum vergehen zwanzig Jahr digitales Zeitalter, und das Wissen verfliegt, sogar an der Uni).


Ich wohne in Kassel und gehe dort zur Uni.


Beste Grüße und vielen lieben Dank
David


(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 12-01-2019, 11:53 PM von David Scherf.)
Hi David,

 

am kommenden Wochenende erwarte ich eine Gruppe aus Kassel zu einem Dunkelkammer Workshop hier in Paderborn.

Solltest Du Interesse haben, könntest Du dazu kommen und zuschauen.

Theoretisch wäre sogar noch ein Platz in dem Worshop frei. Aber Voraussetzung dafür wären einige Negative, die Du dann selbst vergrößern könntest.

Das ist der Inhalt des WS: der Weg vom Negativ zum klassischen analogen Papierabzug.

 

Die Gruppe ist sehr heterogen zusammengesetzt: vom Einsteiger bis zur gelernten Fotografin.

Deine Fragen wären dann sicherlich restlos beantwortet.

 

Bitte melde Dich kurzfristig bei mir, wenn Du Interesse hast: klaus.wehner@web.de

 

Es ist ein spannender ("magischer") Moment, wenn man direkt beobachten kann, wie sich im Entwickler plötzlich aus dem Nichts ein Bild auf dem Film aufbaut.

Ich kann gut verstehen, daß Dich das fasziniert!

 

Wenn Du jedoch gut verwertbare Negative haben möchtest, so mußt Du auf dieses Erlebnis erst einmal verzichten.

1. Du kannst keinen ganzen Kleinbildfilm in der Schale unter Sicht entwickeln

2. Orthofilme sind (ebenso wie Röntgenfilme) Spezialfilme, die für sehr spezielle Aufgaen optimiert wurden. Für "normale" Halbtonfotografie sind sie nur bedingt geeignet.

 

Wenn aber gut belichtete und entwickelte Negative vorhanden sind, so kannst Du den magichen Moment einem Bild bei seiner Entstehung zuschauen zu können, viel unmittelbarer beim Positivprozess beobachten.

 

Also, David, bitte melde Dich mal kurz bei mir.

Dann können wir alles weitere klären.

 

Herzliche Grüße

Klaus

Vielen Dank für die warme Einladung, aber ich muss absagen. Ich bin momentan ziemlich eingebunden mit meiner Masterarbeit und das verlangen perfekte Abzüge zu haben ist nicht so stark bei mir vorhanden. Aber Danke für die ganzen Tipps und Einwände, haben mir viel weitergeholfen. 


Vielleicht probiere ich demnächst mal den Kodalith Film aus, und gucke ob ich ihn mit den Reagenzen entwickelt bekomme und ob er überhaupt noch gut ist. 


Allerbesten Dank

David

Hallo David,

 

ich erlaube mir, mich in das Gespräch einzubringen, zumal ich nicht weit weg von Kassel wohne (am Endhaltepunkt der RT5).

Ich will Dir den Spaß nicht verderben, fürchte aber, dass Du mit Deiner Vorstellung wenig Aussicht auf ein befriedigendes Ergebnis / Erlebnis haben wirst. Orthochromatische Filme bilden starke Kontraste heraus, schwächeln aber sehr in der Graustufenbildung. Wenn man's mag ...

Schwieriger scheint mir der Versuchsaufbau. 35mm-Film ist für Entwicklung auf Sicht verdammt klein. Da wirst nicht sicher erkennen können, wie weit die Entwicklung fortgeschritten ist. Menschen, die solche Filme in größerem Format auf Sicht entwickeln, tun dies häufig in Glasschalen, da die klassischen Plastikwannen zusätzlich eine Beobachtung erschweren. Für Schalenentwicklung wird kontinuierliche Bewegung empfohlen, das hindert auch am Beobachten. Ich würde sagen: Wenn unter diesem Setting etwas halbwegs Brauchbares herauskommt, ist das entweder ganz großes Können oder ein Wahnsinns-Zufall.

Neben meinem eigenen kleinen Labor, das wirklich nur für einen Menschen Platz bietet, habe ich noch Zugang zu einem Labor an einer der hiesigen Schulen. Ich könnte Dir anbieten, einmal einen Einblick in die Dunkelkammerarbeit zu geben, meinetwegen sogar von der Dosenentwicklung bis hin zum fertigen Abzug. Ist nicht ganz so weit wie nach Paderborn ;-)

Zu dem Kodalith Ortho: Vernünftig gelagerte S/W-Filme halten sich länger als man denkt, man muss ein paar Abstriche machen, aber ich habe schon Filme belichtet und entwickelt, die über 50 Jahre alt waren. Meines Wissens nach wurde der Kodalith nur in Rollen konfektioniert (30m). Den müsstest Du dann noch in Patronen konfektionieren - fürs Ausprobieren würde ich auf 12 Bilder konfektionieren. Das macht sich am Besten mit einem Einspulgerät (hätte ich hier).

Bei den gegenwärtigen Lichtverhältnissen hier in der Gegend sind 25 ASA schon eine echte Herausforderung - die gelten bei dem Film übrigens nur für natürliches Licht. Bei künstlicher Beleuchtung sind es eher nur 12.

 

Freundliche Grüße,   Jörg

Hi Jörg,

 

Deinen Worten kann ich nur völlig zustimmen.

 

Ich glaube auch, daß alle Fragen von David sich am besten im dfirekten Gespräch klären lassen.

Mit Deinem großzügigen Angebot ist ihm sicherlich optimal geholfen.

 

Danke und viel Erfolg!

 

Herzliche Grüße aus Paderborn

Klaus

Hallo Jörg,

 

ich habe bereits eine relativ große Menge an dem orthochromatischen Film den wir im Labor benutzen entwickelt, und finde dass die Ergebnisse ganz passabel sind. Wie gesagt, bin ich nicht nach dem perfekten Ergebnis auf der Suche, dann würde ich das ganze wohl kaum weiterverfolgen. Mir macht es viel mehr Spaß einen extrem kontrastreichen Roentgenfilm für andere Zwecke zu missbrauchen. Und ASA25 ist absolut machbar, gerade mit Blitz. Das "auf Sicht" entwickeln funktioniert auch einwandfrei. Das Signal kommt meist nach circa sechs Sekunden im Entwickler durch. Nach dieser Zeit halte ich den tropfenden Film zwischen der Rotlicht Lampe und meinem Auge, das funktioniert einwandfrei. Wenn die Belichtung etwas dürftig war kommt er einfach nochmal kurz ins Bad. Das fertige Negativ war bisher immer schlierenfrei und homogen. Wenn ich einige der Negative demnächst digitalisiert habe kann ich sie mal hier teilen, falls es euch interessieren sollte. 

 

Deine Vermutung zum Kodalith ist korrekt. Die Rolle ist 30.5 m (rechnerisch 871 Fotos?!) lang und im Januar 2000 abgelaufen. Zudem ist die Rolle noch Original versiegelt und unberührt. Bevor sie am Ende der neuen Professur im Müll landet werde ich sie auf jeden Fall ausprobieren. Ein Einspulgerät und leere Hülsen haben wir ebenfalls im Labor, habe ich just diesen Sonntag ausprobiert. Auf dein Angebot würde ich eventueller Weise in Zukunft zurückkommen, da ich, wie bereits erwähnt, nicht so sehr an Abzügen interessiert bin. Vielleicht alleine am Prozess, aber nicht unbedingt um nachher ein Positiv in der Hand zu haben. Aber vielen lieben Dank! :)

 

Bezüglich beider Röntgenfilme werde ich hier die Ergebnisse aktualisieren, falls was bei rummgekommen ist. 


Bis dahin frohes Schaffen

David  




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