Dauerlicht statt Blitzlicht

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Hallo!

Immer wieder taucht die Frage auf: Dauerlicht statt Blitzlicht, wieviel Watt brauche ich denn für die gleiche Blende. Wer sich bei Strom&Co nicht auskennt, tut sich schwer mit der richtigen Antwort. Bei den mir bekannten Diskussionen im Web verteilen sich die Fakten lästigerweise immer über viele Beiträge, deshalb hier mal eine konzentrierte Ausführung zum Thema.

Zunächst ein kleiner Einblick in Elektronenblitzgeräte. Alle arbeiten nach dem gleichen Prinzip: Es gibt einen Kondensator, der durch den Spannungswandler auf eine hohe Spannung aufgeladen wird, meist 300..500 Volt. Parallel zu diesem Kondensator liegt die Blitzröhre, die aber bei 300..500 Volt noch nicht zündet, sondern erst durch einen Hochspannungsimpuls von z.B. 4000 Volt ionisiert werden muss, wodurch sich dann der Kondensator über die Blitzröhre entlädt und den gewünschten Lichtblitz erzeugt. Welche Lichtmenge die Blitzröhre abgibt bestimmt allein die im Kondensator eingespeicherte Energie (Annahme: Blitz wird nicht durch eine spezielle elektronische Schaltung abgebrochen). Die Hersteller geben dann z.B. an: der Blitz liefert 1000Ws. Was heißt das? Das sagt nichts anderes als dieses Gerät wurde so dimensioniert (Kondensator und Ladespannung), dass bei der Zündung 1000Ws elektrische Energie aus dem Kondensator über die Blitzröhre in Licht umgewandelt werden.

Was bedeutet jetzt aber dieses Ws genau? Wer mit der Elektrotechnik auf Kriegsfuß steht hat meist Schwierigkeiten, die Begriffe Leistung und Energie auseinander zu halten. Die Einheit Watt für Leistung (abgek. W) kennt jeder, steht ja auf jeder Glühbirne drauf. Um jetzt aber zu erfahren, wieviel Energie eine Glühbirne verbraucht (das was der Stromzähler misst), muss man nicht nur deren Leistung beachten, sondern auch die Einschaltzeit. Schaltet man z.B. eine Glühbirne mit 100W für 10s ein, so hat sie die Energie Leistung mal Einschaltzeit, also 100W*10s=1000Ws (=Wattsekunden) verbraucht. Oder eine Lampe mit 1000W für 1s, ergibt auch 1000Ws. Nimmt man der Einfachheit halber mal an, alle Lampenarten hätten gleichen Wirkungsgrad, so kann man jetzt schon erkennen, wie ein Blitzgerät in Dauerlicht umzurechnen ist:

will ich per Dauerlicht die zur Energie 1000Ws gehörende Lichtmenge auf dem Motiv haben, während der Verschluss offen ist, dann kann ich

- 10 Sekunden mit 100 Watt Gesamtlampenleistung belichten (10s*100W=1000Ws)

- oder 1 Sekunde mit 1000 Watt insgesamt (1s*1000W=1000Ws)

- oder 1/10 Sekunde mit stolzen 10000 Watt, also 10 Kilowatt (1/10s*10000W=1000Ws)

- oder bei lebenden Motiven 1/30 Sekunde, dann landet man bei saftigen 30 Kilowatt Lampenleistung (1/30s*30000W=1000Ws).

In allen Beispielen fließt die Energiemenge 1000Ws durch die Lampen während der Offenzeit des Verschlusses (Lampenleistung multipliziert mit Verschlusszeit). Man sieht hier einen wesentlichen Zusammenhang: die erforderliche Stärke des Lampenparks hängt direkt von der gewählten Verschlusszeit ab, je länger die Verschlusszeit je kleiner darf der Lampenpark sein.

Berücksichtigt man jetzt noch den unterschiedlichen Wirkungsgrad der Lampenarten (Xenon-Blitzlampe ca. 50 lm/W, Leuchtstofflampe auch ca. 50 lm/W, Halogen ca. 20 lm/W), so könnten in Abhängigkeit von der Verschlusszeit folgende Lampenleistungen ein Blitzgerät mit 1000Ws ersetzen:

Bei Einsatz von Leuchtstofflampen:

Verschlusszeit -- Lampenleistung für 1000Ws

1s 1kW

1/4s 4kW

1/8s 8kW

1/15s 15kW

1/30s 30kW

usw.

Bei Einsatz von Halogenlampen:

Verschlusszeit -- Lampenleistung für 1000Ws

1s 2,5kW

1/4s 10kW

1/8s 20kW

1/15s 37,5kW

1/30s 75kW

usw.

Diese Zahlenwerte sind Anhaltswerte, man weiß damit aber, auf was man sich bei in etwa gleichen Verhältnissen (Reflektorart usw.) einstellen muss. Die Zahlenwerte lassen sich auch leicht auf andere Blitzgeräte umrechnen, für 500Ws sind die Lampenleistungen zu halbieren, für 2000Ws zu verdoppeln usw.

Man sieht, ein Blitzgerät liefert eine extreme Lichtmenge in kurzer Zeit ab, selbst ein Amateurblitzgerät mit 100Ws entspricht bei 1/30s Verschlusszeit immer noch einem Halogenlampenpark von 7,5kW! Der Unterschied ist eben der, dass ein Blitzgerät die bei der Aufnahme abgegebene Energie "in Ruhe" vor der Belichtung aus dem Netz entnimmt (1000Ws in 10s aufgeladen ergibt Netzbelastung von nur 125W bei 80% Wandlerwirkungsgrad), während die "Dauerlampen" ihre für die Belichtung wirksame Energie mangels Energiespeichermöglichkeit zwangsläufig während der (kurzen) Verschlussöffnungszeit aus dem Netz entnehmen müssen.

Ich hoffe, damit ist die Sachlage für jeden nachvollziehbar.

Gruß Wolfgang
Wenn man jetzt noch berücksichtigt, dass ein kleiner Blitz nur in der Größenordnung von 1/500 Sekunde (und das ist dann die effektive Belichtungszeit) braucht, um sein Licht abzugeben, dann werden die Zahlen noch "eindrucksvoller". Man verlängere einfach die angegebenen Tabellen bis zu dieser Zeit.
Oder noch einfacher: Wird die Energie 1000Ws in 1/1000s abgegeben, so beträgt die Leistung von Kondensator und Blitzröhre in dieser 1/1000s stolze 1 Million Watt ( = 1000 Kilowatt = 1 Megawatt)!

Noch ein interessanter Nachtrag:

Die Wattsekunde (Ws) und die Mess-Einheit der Stromzähler, die Kilowattstunde (kWh), sind Verwandte, es gilt (in Klammer die Kurzschreibweise sofern vorhanden):

1 Kilowattstunde (kWh) = 1000 Wattstunden (Wh) = 60000 Wattminuten = 3,6 Millionen Wattsekunden (Ws).

Das heißt z.B.: selbst einen schon recht starken Blitz mit 1000Ws muss man ca. 3000 mal auslösen, bis 1 kWh verbraucht wird (Wandlerwirkungsgrad zu 80% angenommen).

Gruß Wolfgang
(This post was last modified: 19-02-2011, 08:40 PM by Wolfgg.)
Toll, wie man Photographen mit angewandter Naturwissenschaft beeindrucken kann.

E-Technik für Anfänger: Ey Ihr da ohm, macht watt ihr volt.

Beste Grüße,

Franz (seines Zeichens Naturwissenschaftler)



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